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Krank nach dem Urlaub: Reiseassoziierte Infektionskrankheiten

Reiseassoziierte Infektionskrankheiten stellen ein bedeutendes Gesundheitsrisiko für Reisende dar. Mit der Zunahme des internationalen Tourismus und globaler Mobilität steigt auch die Wahrscheinlichkeit, sich in endemischen Gebieten mit tropischen- und subtropischen Infektionserregern zu infizieren. Obwohl viele Infektionsrisiken durch eine reisemedizinische Beratung minimiert werden können, können Reisende mit teils unspezifischen Symptomen einer Infektionskrankheit zurückkehren und in der Arztpraxis vorstellig werden. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die häufigsten reiseassoziierten Infektionskrankheiten, ihre Epidemiologie, Präventionsstrategien sowie diagnostische und therapeutische Maßnahmen

Epidemiologie und Risikofaktoren 

Das Robert Koch-Institut (RKI) überwacht im Rahmen der infektionsepidemiologischen Surveillance die Epidemiologie reiseassoziierter Infektionskrankheiten bei Reiserückkehrern. Dadurch können die zuständigen Infektionsschutzbehörden der Herkunfts- und Reiseländer zeitnah über aktuelle Entwicklungen informiert werden. Viele der Krankheiten sind zudem nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Einige Krankheiten, wie beispielsweise vektorübertragene Infektionen, bergen darüber hinaus das Risiko, sich in Deutschland auszubreiten. Daher ist es wichtig, dass die Gesundheitsämter potenzielle Übertragungsketten frühzeitig erkennen und unterbrechen. 

Aufgrund der gesteigerten globalen Mobilität in den letzten Jahrzehnten nehmen reiseassoziierte Infektionskrankheiten kontinuierlich zu. Die Jahre 2020 und 2021 waren durch Reisebeschränkungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie und einem damit verbundenen deutlichen Rückgang gemeldeter reiseassoziierter Infektionskrankheiten gekennzeichnet (40-90% gegenüber 2019). 2022 sind die Fallzahlen – mutmaßlich aufgrund intensiverer Reiseaktivität – bei fast allen gemeldeten Erkrankungen wieder deutlich angestiegen, wobei sie immer noch unter dem Ausgangsniveau vor Corona liegen. 

Studien aus Europa und den USA zeigen, dass 43–79% der Reiserückkehrer während oder nach dem Aufenthalt in Entwicklungs- und Schwellenländern erkranken. Die Reisediarrhö steht mit einer Inzidenz zwischen 30 und 80% im Vordergrund. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass im weltweiten Durchschnitt ca. 30% aller Reisenden an Reisediarrhö erkranken. Mindestens ein Viertel der Fälle werden von enterotoxinbildenden Escherichia coli (ETEC) verursacht. Zu den häufigsten an das RKI gemeldeten reiseassoziierten Infektionskrankheiten im Jahr 2022 zählen Malaria, Giardiasis, Dengue-Fieber, Shigellose, Hepatitis A, Typhus und Paratyphus und Chikungunyavirus-Erkrankungen. Diese Infektionserreger sind weltweit verbreitet, ihre Häufigkeit variiert jedoch stark nach Land/Region und Reisezeit (Regenzeit vs. Trockenzeit und der Einfluss auf die Mückenpopulationen). Generell weisen tropische und subtropische Regionen eine höhere Prävalenz bestimmter Infektionen auf. Malaria-Infektionen wurden im Jahr 2022 zu 98% in afrikanischen Ländern erworben. Dengue-Fieber, übertragen durch Aedes-Mücken, ist in tropischen und subtropischen Regionen weit verbreitet. 

Auch das individuelle Verhalten der Reisenden, wie beispielsweise enger Kontakt mit lokalen Gemeinschaften, Tierkontakt und der Verzehr unsicherer Lebensmittel, kann das Risiko beeinflussen. Zudem sind Menschen mit angeborener, erworbener oder auch medikamentös-induzierter Immunschwäche, sowie Ältere, Schwangere und Kinder, besonders anfällig für Infektionen. 

Prävention

Das Risiko der meisten reiseassoziierten Infektionskrankheiten kann durch geeignete vorbeugende Maßnahmen deutlich reduziert werden. Die Säulen der Infektionsprophylaxe umfassen einen ausreichenden Impfschutz, die Einhaltung adäquater Hygienemaßnahmen, Expositionsprophylaxe sowie gegebenenfalls den prophylaktischen Einsatz von Medikamenten.

Durch eine rechtzeitige Reiseimpfberatung im Vorfeld einer geplanten Fernreise und die Durchführung empfohlener Impfungen, lassen sich viele reiseassoziierte Infektionskrankheiten wirksam verhindern. Beispielsweise ist die Gelbfieber-Impfung für Reisen in bestimmte afrikanische und südamerikanische Länder unerlässlich. Auch Impfungen gegen Typhus sowie Hepatitis A und B werden für Reisen in Gebiete mit hohen Inzidenzen empfohlen.

Die Einhaltung von Hygienemaßnahmen und die Abwägung des individuellen Risikoverhaltens sind wesentliche präventive Elemente. Dazu gehört die Vermeidung von rohen oder ungekochten Lebensmitteln und unbehandeltem Wasser sowie die regelmäßige Handhygiene durch Waschen mit Seife und Wasser oder die Verwendung von alkoholbasierten Handdesinfektionsmitteln. 

Neben Impfungen ist für spezielle Infektionskrankheiten die prophylaktische Einnahme von Medikamenten eine wichtige Präventionsmaßnahme, insbesondere gegen Malaria. Eine Chemoprophylaxe mit Präparaten wie Mefloquin, Doxycyclin (Off-Label) oder Atovaquon/Proguanil kann das Risiko einer Malariainfektion erheblich reduzieren. Genaue Angaben hierzu sind den Empfehlungen des Ständigen Ausschusses Reisemedizin (StAR) der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG) zu entnehmen. Maßnahmen zum Mückenschutz wie die konsequente Anwendung von Repellents, das Tragen von Schutzkleidung und die Nutzung von (imprägnierten) Moskitonetzen können einen effektiven Schutz vor vektorübertragenen Infektionen bieten.

Diagnostik und Therapie 

Symptome von Infektionskrankheiten, die während einer Fernreise erworben werden, treten in vielen Fällen schon vor Ort auf (z. B. Reisediarrhö). Oftmals bleiben sie bis nach der Rückkehr bestehen. Bei einer Reihe von Krankheiten kommt es aber erst nach Reiserückkehr zur Manifestation von Symptomen. Die meisten reiseassoziierten Krankheiten sind selbstlimitierend und erfordern keine nennenswerte Therapie; andere können jedoch zu erheblicher Morbidität oder Mortalität führen. Zu den häufigsten Gesundheitsproblemen von Reiserückkehrern zählen Magen-Darm-Erkrankungen, Dermatosen, Atemwegsinfektionen und Fieber unbekannter Ursache. Eine ausführliche Reiseanamnese ist die Grundlage des Post-Travel-Screening-Prozesses sowohl bei symptomatischen als auch bei asymptomatischen Reisenden. Hierbei sollten das Reiseziel, das Expositionsrisiko (Reisegrund, individuelles Risikoverhalten, hygienische Situation, Reisezeitraum etc.) sowie Inkubationszeiten potentieller Infektionskrankheiten berücksichtigt werden. Die Symptome sollten im genauen zeitlichen Verlauf erfasst werden (Erstmanifestation, temporäre Symptome, biphasischer Verlauf etc.). Anhand dieser Symptom-Chronologie kann unter Berücksichtigung von Inkubationszeiten bereits eine Diagnoseeingrenzung erfolgen und die Symptome zudem mit der Epidemiologie im Reiseland abgeglichen werden. Informationen zu den Häufigkeiten reiseassoziierter Infektionen nach Infektionsland sind den Meldedaten des RKI oder Sentinel-Surveillance-Netzwerken wie GeoSentinel zu entnehmen.

Neben der Reiseanamnese ist eine Kombination aus klinischer Untersuchung und labordiagnostischen Tests zur Identifizierung von Krankheitserregern unerlässlich. Als Leitsymptome stehen häufig Durchfall, Fieber, Arthralgie oder Hautveränderungen im Vordergrund. Aufgrund der hohen klinischen Relevanz steht insbesondere die adäquate Diagnostik von Fieber als Zeichen einer potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung wie Malaria im Mittelpunkt. Die Mehrzahl der importierten fieberhaften Erkrankungen zeigt einen akuten und selbstlimitierenden Verlauf. Ursächlich sind meist Infektionen des Magen-Darm-Trakts, Atemwegs- oder Systeminfektionen. Bei einem Drittel der fieberbedingten ärztlichen Vorstellungen von Reiserückkehrern wird jedoch eine tropische Infektionskrankheit diagnostiziert, wobei Malaria-Erkrankungen mit 70% den überwiegenden Anteil darstellen. Weitere infektiöse Ursachen sind unter anderem Arbovirosen (Dengue, Zika, Chikungunyafieber), Rickettsiosen, Schistosomiasis, Typhus abdominalis und viszerale Leishmaniasis. 

Die Basisdiagnostik sollte mindestens ein Differenzialblutbild, Serum-Elektrolyte, Retentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff), Leberwerte (AST, ALT, gGT), Gerinnungsstatus und Entzündungsparameter beinhalten. Im Falle einer Eosinophilie sollten parasitäre Infektionen abgeklärt werden. Der serologische Nachweis spezifischer Antikörper mittels ELISA, IFT oder Immunoblot muss immer kontextabhängig interpretiert werden. Durch erregerspezifische Inkubations- bzw. Präpatenzzeiten kann es zu falsch-negativen Ergebnissen, durch Kreuzreaktionen zu falsch-positiven Ergebnissen kommen. Im Falle von Malaria oder Typhus sind serologische Methoden zur initialen Diagnostik sogar nicht indiziert. Hier stellt, wie auch bei einigen anderen Erkrankungen, der direkte Erregernachweis (Antigentests, PCR, Mikroskopie, Blut- oder Stuhlkulturen) aufgrund höherer Spezifität die zu präferierende Alternative dar. Im Falle von Malaria stellt beispielsweise der mikroskopische Direktnachweis von Plasmodien im „dicken Tropfen“ oder Blutausstrich den diagnostischen Goldstandard dar. 

Für die meisten reiseassoziierten viralen Infektionen existiert keine Kausaltherapie. Die therapeutischen Ansätze umfassen in der Regel symptomatische Behandlungen und variieren je nach Erreger und Schwere der Erkrankung. Im Vordergrund stehen Antipyretika, nichtsteroidale Antiphlogistika und eine ausreichende Flüssigkeitssubstitution. Bakterielle Infektionen wie Typhus, Shigellose oder bakterielle Diarrhoe können mit Antibiotika behandelt werden; idealerweise nach Durchführung einer Resistenztestung. Im Falle von parasitären Erkrankungen können Antihelminthika wie Praziquantel verabreicht werden. Die Therapie von Malaria sollte in Einrichtungen mit tropenmedizinischer Erfahrung und unter Maßgabe der S1-Leitlinie für Diagnostik und Therapie der Malaria erfolgen. 

Fazit

Reiseassoziierte Infektionen nehmen aufgrund steigender globaler Mobilität zu und sind eine bedeutende Herausforderung für die globale Gesundheit. Aufgrund der Zunahme des Reiseverkehrs nach der Covid-Pandemie steigen die Fallzahlen aktuell erneut an. Reisediarrhö stellt dabei die häufigste Krankheit dar, gefolgt von Infektionen wie Malaria und Dengue-Fieber, die in tropischen und subtropischen Regionen vorherrschen. Präventive Maßnahmen wie Impfungen, Hygienemaßnahmen und Expositionsprophylaxe sind essenziell, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Eine gründliche Reiseanamnese mit guter Kenntnis von geografischer Verbreitung und Inkubationszeiten der Infektionserreger sowie eine gezielte Diagnostik sind entscheidend für die Behandlung von Rückkehrern mit verdächtigen Symptomen. Therapieansätze konzentrieren sich meist auf symptomatische Behandlungen, wobei für einige Infektionen auch spezifische Medikamente zur Verfügung stehen. Eine umfassende Überwachung und Präventivmaßnahmen sind unerlässlich, um die Ausbreitung reiseassoziierter Infektionskrankheiten zu kontrollieren.


Referenzen

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