COVID-19

Kinder in der Corona-Pandemie: Auswirkungen auf Psyche, Körper und Bildung

Die Corona-Pandemie stellt die ganze Welt vor gesundheitspolitische, ökonomische und soziale Herausforderungen. Um eine Überlastung des Gesundheitssystems und hohe Todeszahlen zu vermeiden, wurde in Deutschland vermehrt auf Kontaktbeschränkungen und Lockdowns inklusive KiTa- und Schulschließungen gesetzt. Von Fachverbänden und Familien wurde vermehrt kritisiert, dass die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche nicht ausreichend beleuchtet und beachtet würden. Mehrere Studien und Befragungen haben sich diesem Thema angenommen.

COPSY-Studie: Kinder leiden psychisch unter der Corona-Pandemie

Mithilfe der COPSY-Studie (Corona und Psyche) der Forschungsabteilung Child Public Health am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf werden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland untersucht. Insgesamt wurden bisher 2097 Familien in die Studie eingeschlossen. Daten der COPSY-Studie zur 3. Befragung im Herbst 2021 belegen, dass die Belastung der Kinder und Jugendlichen über den gesamten Beobachtungszeitraum seit Mai 2020 deutlich höher ist als vor der Pandemie. Etwa ein Drittel der befragten Kinder (35 %) geben in dieser dritten Befragung an, sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt zu fühlen; das sind doppelt so viele wie vor der Pandemie (15,3 %). Zu den am stärksten Betroffenen gehören Kinder und Jugendliche aus sozio-ökonomisch schlechter gestellten Familien. Laut den Studien-Initiatoren ist das soziale Umfeld in Krisensituationen wie der Corona-Pandemie und insbesondere während der Lockdowns entscheidend: Kinder, die sich in ihrer Familie wohl und gut aufgehoben fühlen, unterstützt werden und denen die Möglichkeit zum Lernen zu Hause gegeben ist, bspw. durch ein eigenes Zimmer, haben die Pandemie bisher besser verkraftet als Kinder, die diese Voraussetzungen nicht haben.
 

Abbildung 1: Verschlechtere Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie; adaptiert von Ravens-Sieberer et al. J Adolesc Health. 2022.

Mehr übergewichtige Kinder und Jugendliche seit Beginn der Pandemie

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie manifestieren sich bei Kindern und Jugendlichen nicht nur als psychische Belastung, sondern beeinflussen auch das Gesundheitsverhalten: Während der Pandemie waren Kinder und Jugendliche deutlich inaktiver als vor der Pandemie und konsumierten mehr Süßigkeiten. Laut der COPSY-Studie war der Süßigkeitenkonsum in der ersten und zweiten Welle bei einem Drittel der Kinder erhöht, in der dritten Welle noch bei etwa einem Fünftel. Hinzu kommt ein erhöhter Medienkonsum: Knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen nutzte mit mehr als 3 bis 4 Stunden pro Tag mehr Medien als vor der Pandemie. Die Kombination aus Bewegungsmangel und schlechterer Ernährung während der Pandemie führt laut einer aktuellen Forsa-Umfrage aus dem Frühjahr 2022 mit 1004 Eltern bei vielen Kinder zu einer Gewichtszunahme: 16 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren haben zugenommen, in der Gruppe der 10- bis 12-Jährigen sind es sogar 32 %. Wie bei den psychischen Erkrankungen zeichnet sich auch hier eine Risikogruppe ab: Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so häufig von einer Gewichtszunahme betroffen wie andere Kinder. Die Befragung der Eltern ergab zudem, dass 27 % der Kinder und Jugendlichen häufiger Süßigkeiten essen als zuvor.
 

Die Pandemie als Brennglas für Bildungsdefizite

Durch Schulschließungen und dem daraus resultierenden Homeschooling blieben Lerninhalte teilweise auf der Strecke, Familien und Lehrkräfte waren gleichermaßen herausgefordert. Kinder und Jugendliche, die bereits vor der Pandemie Probleme bei der Bewältigung des Lernstoffs hatten, waren besonders von den Schulschließungen betroffen. Der Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e. V. untersucht im Rahmen des nationalen Bildungspanels (NEPS), der größten Langzeit-Bildungsstudie in Deutschland, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Kinder zu Hause gut und effizient lernen können. Ein zentrales Ergebnis des NEPS ist, dass die Lesekompetenz der Kinder einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse des Homeschoolings hat. Kinder mit hoher Lesekompetenz waren fächerübergreifend klar im Vorteil. Für Kinder mit niedriger Lesekompetenz bedeutete das Homeschooling eine große Herausforderung, die mit verminderter Motivation zum Lernen einherging. Interessanterweise spielte die Anstrengungsbereitschaft im Homeschooling eine größere Rolle als das Interesse an den jeweiligen Fächern. Inwieweit die Zeit der Schulschließungen langfristige Auswirkungen auf die akademische Entwicklung der Kinder hat, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Fazit

Kinder und Jugendliche waren durch Lockdowns und Schulschließungen belastet und hinsichtlich der für sie wichtigen sozialen Kontakte stark eingeschränkt. Als Folge verschlechterten sich die Lebensqualität und Schulleistungen einiger Kinder und Jugendlichen deutlich im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Die Studien COPSY und NEPS sowie die Forsa-Umfrage identifizierten besonders vulnerable Gruppen: Kinder und Jugendliche aus sozio-ökonomisch schwächer gestellten Familien waren stärker von psychischen und körperlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen, Kinder mit Defiziten in der Lesekompetenz stärker von den Schulschließungen und dem Homeschooling. Um künftigen Auswirkungen möglicher Corona-Maßnahmen vorzubeugen, sollten präventive Maßnahmen, wie etwa die gezielte, individuelle Förderung der Kinder aus den genannten Gruppen, ergriffen werden.

 

Referenzen:

  1. UKE Hamburg, Child Public Health: COPSY-Studie; zuletzt abgerufen am 23.09.2022
  2. Ravens-Sieberer U, Erhart M, Devine J, Gilbert M, Reiss F, Barkmann C, Siegel NA, Simon AM, Hurrelmann K, Schlack R, Hölling H, Wieler LH, Kaman A. Child and Adolescent Mental Health During the COVID-19 Pandemic: Results of the Three-Wave Longitudinal COPSY Study. J Adolesc Health. 2022 Aug 18:S1054-139X(22)00518-3. doi: 10.1016/j.jadohealth.2022.06.022. Epub ahead of print. PMID: 35989235; PMCID: PMC9386895.
  3. Ravens-Sieberer U, Kaman A, Devine J, Löffler C, Reiß F, Napp AK, Gilbert M, Naderi H, Hurrelmann K, Schlack R, Hölling H, Erhart M: The mental health and health-related behavior of children and parents during the COVID-19 pandemic: findings of the longitudinal COPSY study. Dtsch Arztebl Int 2022; 119. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0173zuletzt abgerufen am 23.09.2022
  4. Ärzteblatt: Corona-und-Psyche-(COPSY-)Studie: Psychische Gesundheit von Kindern verschlechtert; zuletzt abgerufen am 23.09.2022
  5. NDR: Welche Spuren hat die Pandemie bei Kindern hinterlassen?; zuletzt abgerufen am 23.09.2022
  6. Adipositas Gesellschaft: Forsa-Umfrage zeigt Folgen der Corona-Krise für Kinder: Gewichtszunahme, weniger Bewegung, mehr Süsswaren – Jedes sechste Kind ist dicker geworden; zuletzt abgerufen am 23.09.2022
  7. Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e. V.: NEPS: Lernen im Lockdown: Welche Voraussetzungen helfen Schülerinnen und Schülern? zuletzt abgerufen am 23.09.2022

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Dr. med. Thilo Schill
praxis@ivf-limbach.com

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