Vorsorge, Prävention

Leitlinien Schwangerschaftsvorsorge - Gesundheit und Sicherheit für Mutter und Kind

Die Schwangerschaft ist eine faszinierende Phase des Lebens, in der die Gesundheit von Mutter und Kind oberste Priorität hat. Eine essenzielle Maßnahme zur Sicherstellung eines gesunden Schwangerschaftsverlaufs ist die fachgerechte Schwangerschaftsvorsorge und Betreuung durch eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen. Diese umfasst eine Vielzahl medizinischer Untersuchungen und Tests, die darauf abzielen, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen, Komplikationen zu vermeiden und die Gesundheit von Mutter und Kind bestmöglich zu unterstützen. Dabei ist es wichtig, zwischen den von den Krankenkassen abgedeckten Standardleistungen und individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) zu unterscheiden.

Schwangerschaftsvorsorge Untersuchungen – Optimale Gesundheitskontrolle während der Schwangerschaft

Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft dienen der medizinischen Begleitung von schwangeren Frauen und der frühzeitigen Erkennung von Risikoschwangerschaften und -geburten. Jede Schwangere hat Anspruch auf diese Vorsorgeleistungen über ihre Krankenkasse. Die Mutterschaftsrichtlinien legen fest, wie oft und in welchem Umfang diese Untersuchungen erfolgen sollen. In den ersten Monaten finden sie alle vier Wochen statt; ab der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) dann alle zwei Wochen bis zur Entbindung. 
Die Vorsorgeuntersuchungen beinhalten in der Regel die Messung von Gewicht und Blutdruck, eine Urinuntersuchung, die Ermittlung des Hämoglobin-Wertes  sowie die Kontrolle der Herztöne und der Lage des Kindes. Je nach Zeitpunkt in der Schwangerschaft werden sie um weiterführende Untersuchungen wie Ultraschall oder bestimmte Blutuntersuchungen ergänzt. Es ist wichtig, die Patientinnen ausführlich über die von den Krankenkassen übernommenen Leistungen sowie die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) zu beraten, damit sie über die möglichen Konsequenzen der Untersuchungen für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft informiert sind und fundierte Entscheidungen über die von ihnen gewünschten Untersuchungen treffen können.   

Tipps, wie Ärztinnen und Ärzte dabei am besten vorgehen, haben wir in diesem Blog-Beitrag zusammengestellt.

Der Beginn: die Erstuntersuchung in der Schwangerschaft – was wird gemacht? 

Die Erstuntersuchung während der Schwangerschaft ist ein entscheidender Schritt, um die Gesundheit der Mutter und des ungeborenen Kindes zu überwachen. Sie erfolgt in der Regel nach dem Ausbleiben der Regelblutung und/oder einem positiven Schwangerschaftstest. Nach Feststellung der Schwangerschaft wird eine gynäkologische Untersuchung durchgeführt. Zusätzlich werden der Blutdruck und die Urinwerte gemessen, um mögliche Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen.
Im Rahmen der Erstuntersuchung werden verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt, die von den Krankenkassen regulär abgedeckt werden. Dazu gehört die Bestimmung der Blutgruppe und des Rhesusfaktors (RhD) der Schwangeren sowie die Überprüfung des Hämoglobin-Werts, um eine Anämie zu erkennen und zu behandeln. Auch der erste Antikörpersuchtest wird durchgeführt, um mögliche Blutgruppenunverträglichkeiten zwischen Mutter und Kind frühzeitig zu identifizieren und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten.      

Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft ausschließen 

Ein wichtiger Bestandteil der Erstuntersuchung ist zudem der Ausschluss verschiedener Infektionskrankheiten. Dazu gehört die seit 2023 vorgezogene Untersuchung auf eine Hepatitis-B-Infektion mittels HBs-Antigen-Test. Durch einen frühzeitigen Infektionsnachweis ist es möglich, gemäß Leitlinienempfehlung bereits nach dem ersten Trimester mit einer antiviralen Therapie zu beginnen und so das Risiko einer vertikalen Transmission (Mutter-Kind-Übertragung) zu reduzieren. Des Weiteren wird der Röteln-Status durch den Nachweis von 2 stattgehabten MMR-Impfungen überprüft. Liegt kein Impfnachweis vor, muss die Ermittlung des Röteln-Schutzes mithilfe des Antikörper-Titer überprüft werden, um das Risiko von Rötelninfektionen während der Schwangerschaft zu minimieren.
Die Erstuntersuchung beinhaltet auch den Ausschluss von HIV, Chlamydien und Syphilis, da diese Infektionen schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind haben können. Dabei ist es wichtig, dass der Test auf HIV nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Schwangeren erfolgt und im Mutterpass das Ergebnis des HIV-Tests nicht ersichtlich ist, sondern nur die erfolgte Durchführung dokumentiert wird. Optional kann auch der Immunitätsstatus für Ringelröteln, Toxoplasmose und Cytomegalie überprüft werden, allerdings handelt es sich dabei um IGeL-Leistungen, die von den Schwangeren selbst getragen werden müssen.
Am Ende der Erstuntersuchung erfolgt die Ausstellung des Mutterpasses, der alle wichtigen Informationen über den Verlauf der Schwangerschaft enthält und als wichtiges Dokument während der gesamten Schwangerschaft dient.    

Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft – der Blick ins Innere

Regelmäßige Ultraschalluntersuchungen ermöglichen es, das Wachstum und die Entwicklung des Fötus zu überwachen. Sie dienen auch dazu, mögliche Anomalien frühzeitig zu erkennen und eine entsprechende Behandlung einzuleiten. In der regulären Schwangerschaftsvorsorge ist die sonographische Feststellung der korrekt angelegten Schwangerschaft zu Beginn der Gravidität sowie weitere drei Basis-Ultraschalluntersuchungen vorgesehen. Sie erfolgen zwischen der 9.–12., 19.–22. und der 29.–32. SSW. Bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf reichen diese drei Termine aus. Zeigen sich im Verlauf der Schwangerschaft jedoch Auffälligkeiten oder gibt es besondere Risiken, die abgeklärt werden müssen, sind eventuell zusätzliche/spezielle Ultraschalluntersuchungen angezeigt (siehe Abschnitt Pränataldiagnostik), welche bei medizinischer Indikation auch von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Ärztinnen und Ärzte sind in jedem Fall verpflichtet, vor dem Ultraschall über die Vor- und Nachteile dieser Untersuchung aufzuklären. 

Die Pränataldiagnostik – eine individuelle Entscheidung  

Pränataldiagnostik (PND), auch bekannt als vorgeburtliche Diagnostik, bezeichnet Untersuchungen während der Schwangerschaft, die helfen, mögliche Fehlbildungen, genetische Störungen oder chromosomale Anomalien beim ungeborenen Kind zu identifizieren. Die pränatale Diagnostik wird in der Regel als IGeL-Leistungen betrachtet und muss von den Eltern selbst finanziert werden. Unter bestimmten Umständen können jedoch die Krankenkassen die Kosten übernehmen, insbesondere wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen oder Auffälligkeiten während der Schwangerschaft festgestellt werden. Es gibt zwei Arten von pränatalen Untersuchungsverfahren: nicht-invasive und invasive Verfahren.

Nicht-invasive Pränataldiagnostik

Zu den nicht-invasiven Methoden gehört das Ersttrimester-Screening, das zwischen der 11. und 14. SSW durchgeführt wird. Dabei wird mittels einer Kombination aus Blutuntersuchung und sonographischer Messung der Nackenfalten-Transparenz des Fötus die Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen von Fehlbildungen oder genetischen Erkrankungen wie Trisomie 13, 18 oder 21 abgeschätzt. Ebenfalls in diesem Zeitraum kann das Screening auf Präeklampsie (schwangerschaftsassoziierter Bluthochdruck) durchgeführt werden. Mit Hilfe einer Doppler-Ultraschalluntersuchung (zur Darstellung des Blutflusses in mütterlichen und kindlichen Gefäßen), einer Blutuntersuchung und unter Einbeziehung von Alter, Blutdruck und Gewicht der Mutter wird das Risiko für diese Schwangerschaftskomplikation abgeschätzt. Weitere nicht-invasive Verfahren umfassen den Feindiagnostik- oder Organ-Ultraschall mit hochauflösenden Ultraschallgeräten (idealerweise zwischen der 20.–22. SSW) und den nicht invasiven Pränataltest (NIPT), der ab der 10. SSW möglich ist und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird, wenn entsprechende medizinische Indikationen vorliegen.

Welche Indikationen für die Durchführung des NIPT sprechen und wie der Test abläuft, ist hier zu erfahren

Invasive Untersuchungen Pränataldiagnostik

Obwohl nicht-invasive Verfahren wichtige Hinweise liefern können, sind ihre Ergebnisse oftmals nur Wahrscheinlichkeiten, sodass die Aussagekraft begrenzt ist. Um den Verdacht auf eine Auffälligkeit gezielt zu überprüfen, müssen zur definitiven Diagnosestellung invasive Verfahren herangezogen werden. Zu den invasiven Verfahren gehören die Chorionzottenbiopsie, die Amniozentese und die Nabelschnur-Punktion. Diese Verfahren bieten detailliertere Informationen über die Gesundheit des Fötus, bergen jedoch ein geringes Risiko für Komplikationen wie Fehlgeburten. Daher ist eine umfassende Aufklärung der Schwangeren über die Risiken und Vorteile dieser Eingriffe von entscheidender Bedeutung, damit die Schwangere bzw. beide Elternteile informierte Entscheidungen treffen können.

Weitere Untersuchungen im Verlauf der Schwangerschaft 

Ein Großteil der diagnostischen Blutuntersuchungen findet bereits im Rahmen der Erstuntersuchung statt. Ergänzend sind im Verlauf der Schwangerschaft weitere spezifische Untersuchungen vorgesehen, um die Gesundheit von Mutter und Kind kontinuierlich zu überwachen und potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen. Bei RhD-negativen Schwangeren erfolgt optimalerweise ab der 20. SSW die Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors D (fetaler RhD-NIPT) über das mütterliche Blut, wodurch im Falle von RhD-positiven Feten eine gezielte Anti-D-Prophylaxe in der 28.–30. SSW ermöglicht wird. 

Darüber hinaus wird der Antikörpersuchtest, der während der Erstuntersuchung durchgeführt wurde, in der 24.–27. SSW wiederholt. Dies dient dazu, eventuell in der Zwischenzeit aufgetretene Blutgruppenunverträglichkeiten zu erkennen. Zwischen der 25. und 28. SSW wird ein Glukosetoleranztest durchgeführt (bei Risikopatientinnen auch eher), um einen möglichen Schwangerschaftsdiabetes frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Die Überprüfung auf eine Infektion mit B-Streptokokken und/oder Gonokokken kann als IGeL-Leistung zwischen der 35. und 37. SSW durch einen Abstrich erfolgen. Dies ist von Bedeutung, da diese Erreger während der Geburt auf das Kind übertragen werden können. Im Falle eines positiven Testergebnisses kann durch eine Antibiotikagabe die Infektion des Neugeborenen verhindert werden.

Welche Impfungen sind in der Schwangerschaft empfohlen? 

Es wird allen Frauen dringend empfohlen, bereits vor einer geplanten Schwangerschaft, spätestens jedoch in der Frühschwangerschaft, einen Impfcheck durchzuführen. Besonders wichtig ist ein ausreichender Impfschutz gegen Windpocken, Röteln und Hepatitis B. Wenn keine dokumentierte Immunität gegen Röteln vorliegt, wird bei der Erstuntersuchung der Antikörper-Titer durch einen Bluttest ermittelt. 
Grundsätzlich gilt, dass in der Schwangerschaft „so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig" geimpft werden sollte. Besonders im ersten Trimester sollten Impfungen möglichst restriktiv erfolgen. Impfungen mit Totimpfstoffen wie z.B. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Hepatitis A und B sind auch während der Schwangerschaft durchführbar oder im Fall der Keuchhusten-Impfung sogar ausdrücklich für Schwangere empfohlen. Darüber hinaus werden Impfungen in der Schwangerschaft gegen Influenza und Covid-19 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) explizit empfohlen, da Schwangere ein erhöhtes Risiko für Verläufe mit Komplikationen haben. Zusätzlich kann im dritten Trimester eine Impfung gegen RSV durchgeführt werden, um das Neugeborene durch die Übertragung des mütterlichen Impfschutzes über die Plazenta zu schützen. Impfungen mit Lebendimpfstoffen wie z. B. Masern, Mumps, Röteln und Windpocken sind in der Schwangerschaft jedoch kontraindiziert.

      

Fazit

Die Schwangerschaftsvorsorge umfasst eine Reihe von Untersuchungen, die darauf abzielen, die Gesundheit von Mutter und Kind zu überwachen und potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen. Ein Großteil dieser Vorsorgeleistungen wird von den Krankenkassen als Standardleistungen übernommen, wie in den Mutterschaftsrichtlinien festgelegt. Die Erstuntersuchung markiert einen entscheidenden Schritt in der Schwangerschaftsvorsorge. Hier werden grundlegende Untersuchungen durchgeführt, die von den Krankenkassen regulär abgedeckt werden. Allerdings gibt es im weiteren Schwangerschaftsverlauf auch eine Reihe von Untersuchungen, die nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen sind und daher als IGeL-Leistungen betrachtet werden. Dazu gehören beispielsweise spezielle Ultraschalluntersuchungen, bestimmte Pränataldiagnostikverfahren sowie zusätzliche Infektionstests. Die Gynäkologin bzw. der Gynäkologe sollte die Schwangere umfassend über die Unterschiede, Vor- und Nachteile sowie Kosten der Kassenleistungen und IGeL-Leistungen informieren. Dadurch wird es der Schwangeren ermöglicht fundierte Entscheidungen zu treffen, die ihren individuellen Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen.

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Referenzen

  1. Gemeinsamer Bundesausschuss: Mutterschaftsrichtlinie. zuletzt abgerufen am 05.08.2024
  2. gesundheitsinformation.de: Schwangerschaftsvorsorge und Mutterpass. zuletzt abgerufen am 02.08.2024
  3. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Testzeitpunkt Hepatitis B in der Schwangerschaft wird vorgezogen zuletzt abgerufen am 01.08.2024
  4. Frauenärzte im Netz: Ärztliche Beratung und Untersuchung in der Schwangerschaft zuletzt abgerufen am 30.07.2024
  5. gesundheitsinformation.de: Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft zuletzt abgerufen am 02.08.2024
  6. gesundheitsinformation.de: Vorgeburtliche Untersuchungen(Pränataldiagnostik) zuletzt abgerufen am 01.08.2024
  7. Frauenärzte im Netz: Impfungen in der Schwangerschaft zuletzt abgerufen am 31.07.2024
  8. RKI: Epidemologische Bulletin 4/2024: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut 2024 zuletzt abgerufen am 31.07.2024

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Dr. med. Thilo Schill
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