COVID-19

COVID-19-Effekte auf das endokrine System

In der derzeitigen von der Omikron-Variante beherrschten und seit zwei Jahren andauernden SARS-CoV-2-Pandemie ist offensichtlich, dass zusätzliche Schädigungen jenseits der Lunge erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensqualität haben. Dazu gehört unter anderem auch das endokrine System. Diese Zusammenfassung gibt einen Überblick der bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Effekt von SARS-CoV-2 auf das endokrine System.

Abbildung 1 „COVID-19-Effekte auf das endokrine System - Mechanismen, Risikofaktoren, Labordiagnostik“

Diabetes mellitus – endokrine Bauchspeicheldrüsenfunktion

Sowohl ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als auch TMPRSS2 (Transmembrane Serine Protease 2) sind in den Mikrogefäßen des Pankreas aufzufinden. Trotz widersprüchlicher Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Präsenz von ACE2 in pankreatischen β-Zellen, wurde in Autopsiestudien SARS-CoV-2-RNA in β-Zellen infizierter Patienten nachgewiesen. Dies weist darauf hin, dass SARS-CoV-2 neben Gefäßendothelzellen auch direkt endokrine Pankreaszellen infiziert und sich darin vermehrt.

Thyreotrope Achse – Schilddrüse

SARS-CoV-2 kann im akuten Stadium zu Störungen der Schilddrüsenfunktion führen. Bei Patienten, die an SARS-CoV-2 verstarben, wurde eine massive Zerstörung von follikulären und parafollikulären thyreoidalen Zellen post mortem nachgewiesen. ACE2-mRNA ist nachweisbar in follikulären Zellen, allerdings ist bisher kein direkter Nachweis von intrazellulärem SARS-CoV-2 dokumentiert.

Gonadotrope Achse

COVID-19 betrifft Männer und Frauen gleichermaßen, jedoch gibt es weniger Studien zum COVID-19-Effekt auf das weibliche Reproduktionssystem. ACE2-mRNA ist sowohl bei prä- als auch postmenopausalen Frauen in den Ovarien nachweisbar. ACE2 reguliert Angiotensin und Angiotensin II, Follikelentwicklung, Eimaturation und Aufrechterhaltung des Corpus luteum. Darüber hinaus ist ACE2 auch im Endometrium zu finden: Während der Proliferationsphase ist ACE2 und TMPRRS2 in Epithel- und Stromazellen und während der Sekretionsphase in Stromazellen in erhöhter Quantität detektierbar. Progesteron erhöht die dortige ACE2-Expression.

Kortikotrope Achse – Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere

Hypophyse: Allgemein ist Gefäßendothelium reichlich mit ACE2-Rezeptoren ausgestattet. Die Hypophyse ist gut vaskularisiert, sodass SARS-CoV-2 auch in Hypophysengefäßen eine Entzündungsreaktion mit Hyperkoagulabilität und damit verbundenem Risiko eines Apoplex, insbesondere bei Patienten mit vorbestehenden Hypophysentumoren wie Mikro- und Makroadenomen, auslösen kann. Auch Schwangere scheinen hierfür ein höheres Risiko zu tragen. ACE2 ist in der Hypophyse auf niedrigem Level exprimiert. In Autopsiestudien wurde SARS-CoV-2 jedoch in Korrelation mit erniedrigten somato-, thyreotropen und kortikotropen Zellzahlen detektiert.
Nebennierenrinde: Der ACE2-Rezeptor wurde immunhistochemisch in der Nebennierenrinde in der Zona fasciculata und Zona reticularis (Glukokortikoid- und Androgen-Produktion), aber nicht in der Zona glomerulosa detektiert, die für die Mineralkortikoidsynthese verantwortlich ist. TMPRSS2 wurde in allen drei Zonen nachgewiesen. Autopsien der Nebenniere bei an SARS-CoV-2 verstorbenen Patienten dokumentierten Hämorrhagien, ischämische Nekrosen und fokale Entzündungen.

Ausblick

Der Zelleintrittsmechanismus der Omikron-Variante unterscheidet sich von vorherigen Virus-Varianten: Mutationen im Spike-Protein verringern die Bindungsfähigkeit und Spaltungsaktivität der TMPRSS2- Protease. Dadurch erfolgt der Zelleintritt der Omikron-Variante weitestgehend über den alternativen Cathepsin-vermittelten ACE2/Endozytose-Weg und im geringeren Maße über ACE2/TMPRSS2. Dies führt insgesamt bei Reduktion der Pathogenität zu einer erhöhten Infektiösität aufgrund einer möglichen Infektion von mehr menschlichen Körperzellen. Zudem ist dadurch eine Infektion von tierischen Zellen möglich, die ein Langzeitreservoir darstellen. Daher ist es vorstellbar, dass die oben beschriebenen endokrinologischen Effekte bei Infektionen mit der Omikron Variante im unterschiedlichen Maße zum Tragen kommen. Der Zelleintrittsmechanismus zukünftiger Varianten ist nicht vorhersehbar: Er könnte ähnlich wie bei Omikron geringer und breitflächiger oder aber auch aufgrund neuer Mutationen massiver und spezifischer ausfallen und damit pathogene Effekte an Lunge, extrapulmonalen und endokrinologischen Organen verstärken.

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Quellenangaben:

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